MUSIK    
  




Die tönenden Skulpturen von Ursula Haupenthal sind weder Abkömmlinge der Instrumentengeschichte - dazu sind sie zu elementar - noch Verwandte der Zufallsgeneratoren - dazu sind sie zu kalkuliert. Obgleich exakt bemessen und konstruiert, treten sie auf als scheinbar primitive Geräuschquellen, deren suggestive Energie sich erst im kenntnisreichen Gebrauch entwickelt und dies gerade aus dem Nebeneinander formaler Simplizität und tonaler Unerschöpflichkeit.

Ursula Haupenthals Projekt ist nicht eine Rückreise zu den Horizonten vorelektronischer Instrumental-Musik, vielmehr eine Grabung nach präinstrumentalen Klängen. Es geht hier nicht um eine Mythologie, sondern um die Genesis der Geräusche: nicht Hörgenuss wäre der Erfolg solcher Suchbewegung, sondern ein Direktkontakt, das Wieder-Hören von Stimmen, mit denen die Dinge zu uns sprachen, bevor technischer Lärm sie übertönte. Die Spielerin befragt die Materie, statt sie zu befehligen - der Hörer soll unverfälschte Klänge erhalten aus einem unschuldigen Lautsprecher, sein Ohr den Herzschlag des Metalls selbst vernehmen. Die innere Vitalität der Stoffe entzieht sich zwar dem Blick, doch unseren anderen Sinnen teilt sie sich mit - dem Gehör und seinem nächsten Nachbarn, dem Tastgefühl.

Die Sensoren von Ursula Haupenthal scheinen davon zu wissen, dass heute, in einer Welt der Torsionen, nach dem Ursprung der Klänge gesucht werden muss. Nur noch theoretisch - in ihrem Zuschnitt - bewahren die Skulpuren-Instrumente ihre Orthogonalität - vor Ort jedoch, gebeugt von Eigengewicht, flatternd in Luft-Strömen, vibrierend unter dem Impuls der Spielerin, verfallen sie in die dynamische Geometrie des Lebendigen.

Die Oszillatoren von Ursula Haupenthal stehen im Dienste eines Abhörprogramms, einer neuen Art Brut des Hörens.

Gerhard Auer
Braunschweig 1996



Peschalb Nrudt


Balaena


SEA-SON